Eine Geschichte aus meinem Alltag als Demenz-Pflegefachkraft. Im Erstgespräch begegneten mir verschiedene Stimmungen und Gefühle: Wut, Trauer, Angst, Perspektivlosigkeit, Scham. Eine Achterbahnfahrt. Nicht etwa von der Neukundin Frau T. selbst, sondern von ihrer Tochter. Bei jedem Wort, welches ihre Mutter äußerte, biss sie die Zähne zusammen, wippte unruhig hin und her, spielte mit dem Kuli, schüttelte mit dem Kopf. Ich beobachtete, dass ihre Hände zitterten.
„Was wollen Sie denn mit mir machen? Mich waschen? Das kann ich ja wohl noch selbst!“ sagte Frau T. entrüstet. „Diese Schlampen aus dem Krankenhaus wollten mir auch andauernd reinpfuschen.“
Plötzlicher Stimmungswechsel.
„Was möchten Sie nun eigentlich von mir? Ich frage rein aus Interesse. Sie geben sich ja auch wirklich Mühe.“ Diesmal mit einem Lächeln.
Am Ende des Gesprächs brachte mich die Tochter zu Tür. Sie berührte mich an der Schulter und flüsterte schon fast „Entschuldigen Sie, das Verhalten meiner Mutter ist mir total peinlich.“
Wodurch entsteht diese Reaktion? Mir selbst wäre es nicht eingefallen, die Situation als peinlich einzustufen. Für mich ist es nicht außergewöhnlich, sondern völlig normal. Ich fühle mich auch nicht peinlich berührt.
Aber warum reagiert die Tochter nun so?
Perspektivwechsel.
Ich versuche mich in die Situation der Tochter einzufühlen und mir ihre Gedanken vorzustellen. Im Kopf der Tochter mögen diese Fragen auftauchen:
Jetzt verstehe ich es etwas besser.
Stigmatisierung und mangelnde Aufklärung sind die Gründe, weshalb solche Gefühle und Gedanken entstehen.
Laut einer Studie geben 25% an, die Diagnose Demenz aus Angst vor negativen Reaktionen geheim zu halten und ca. die Hälfte der Betroffenen fühlen sich vom täglichen „normalen“ Leben ausgeschlossen.
Die demographische Entwicklung, also das stetige Älter werden der Gesellschaft, setzt dieses Problem in einen verschärften Fokus. Aus Angst, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden, ignorieren die Betroffenen oft erste Symptome. Doch davon wird es nicht besser – ganz im Gegenteil. Das Verstecken und Vertuschen macht die Situation für alle Beteiligten noch viel schlimmer.
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Demenz gesellschaftsfähig zu machen, zu entstigmatisieren. Wir möchten Angehörige und Betroffene aufklären und sie begleiten. Uns liegt es am Herzen, dass Betroffene in ihrer vertrauten Umgebung zuhause leben können. Daher wollen wir ihre Fähigkeiten erhalten und fördern. Wir geben den Betroffenen eine eigene Stimme. Wir – das ist die AMKA in Frankfurt am Main. Inspiration – Innovation – Vision und im Herzen Perfektion.
Oft ist es einfacher, eine Situation zu verstehen, wenn man kurz versucht in den Schuhen des anderen zu laufen.
Können Sie sich an Situationen erinnern, in denen Ihnen diese Methode geholfen hat?
Brauchen Sie Unterstützung bei der Betreuung eines lieben Menschen in Ihrer Umgebung? Wir haben ein offenes Ohr und beraten Sie gern. Sprechen Sie uns einfach an: 069 – 670 83 07 oder schicken Sie uns eine Whats app-Nachricht unter 0151 – 56871213.
Autorin:
Sarina Schwarze
Sarina Schwarze ist gelernte Krankenschwester und Praxisanleiterin. Sie begleitet seit 3 Jahren pflegebedürftige und demenziell erkrankte Menschen in ihrer vertrauten Umgebung zuhause, zuvor 9 Jahre im stationären Rahmen. Sie ist stellvertretende Pflegedienstleitung der AMKA GmbH in Frankfurt/Main.
Bildquellen:
„Plant Growing In Hot Dry Desert With Sunshine And Rain Storm Coming On The Horizon - New Life / Hope Concept“ – ©
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„Red human figure surrounded by a group of people. Leader Boss and leadership. Cooperation and teamwork. Outcast, hated opponent, criminal. Conviction.“ – ©
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